Freundschaft – oder nicht

Wer immer am gleichen Ort gelebt hat und Freundschaften seit der Schulzeit immer noch hat, der braucht sich um das Wesen von Freundschaften keine Gedanken zu machen.

Ich dagegen musste von Klein auf an immer wieder an neuen Orten neu anfangen (Als Erwachsene hab ich mir das dann aber mit den Wohnort-Wechseln selber ausgesucht)….mir fehlt daher dieses tiefe verwurzelt sein mit einem Ort, mit einem Freundeskreis…Zusammen mit einer tief in mir wohnenden Schüchternheit, die mich heute eher als Einzelgänger kennzeichnet, fiel es mir schon immer schwer Freundschaften zu schließen.

Leider neigen gerade meine Freundschaften mit Frauen dazu, das ich immer wieder enttäuscht wurde…spätestens sobald es um Männer ging waren diese Frauen auf einmal gar nicht mehr solidarisch….und ich sollte immer Verständnis haben für abgesagte Verabredungen usw. …und so hab ich das Prinzip „Beste Freundin“ für mich im Laufe der letzten Jahre ad acta gelegt.

Jetzt hab ich wieder einmal feststellen dürfen, wie schwer es ist, über hunderte von Kilometern so etwas wie Freundschaft aufrecht zu erhalten…und ich hab bisher immer gedacht, es liegt an mir….aber das stimmt so nicht…. Ich war immer diejenige die hunderte Kilometer gefahren ist, um Freunde zu treffen und ich überwinde sogar meine Abneigung gegen das Telefonieren um Kontakt zu halten…und auch jetzt wieder hätte ich die „Unannehmlichkeit“ von 2,5 Stunden Fahrt auf mich genommen, um eines meiner Mädels zu treffen, die hoch im Norden Urlaub macht….

Wir hatten uns quasi verabredet, wenn sie mit ihrem Freund am Urlaubsort angekommen ist, meldet sie sich und ich komme dann mit dem Auto zu ihr, damit wir uns für 2-3 Stunden zum Kaffee trinken treffen können…..Alles schien soweit in Ordnung.

Freitag vor 1 Woche rief sie an…sie läge jetzt so faul mit ihrem Freund am See….und es wäre soooo toll, ich solle nicht böse sein aber…..das mit dem Treffen….sie würde es jetzt so genießen, das es mit ihrem Freund gerade mal ganz entspannt läuft.

Wie viele Stunden während und nach der Arbeit hab ich ihr zugehört, sie getröstet, sie ermutigt, sie bestärkt, Rücksicht auf sie genommen…na egal. ich hab ihr noch einen schönen Urlaub gewünscht….

Gestern aber, hab ich mich bereits zum 2. Mal mit meinem ehemaligen Kollegen, der jetzt schon 4 Jahre in Rente ist, und seiner Frau in der Lüneburger Heide getroffen…. Wir haben fast 10 Jahre lang sehr gut zusammen gearbeitet…er für die Konzernmutter…ich für 4 Tochtergesellschaften….und das Treffen war soooo schön.

Wir haben uns in einem Cafè getroffen und zu Dritt einen angeregten und schönen Nachmittag verbracht, wir haben viel gelacht, Jeder hat erzählt mal ernsthaft – mal lustig….ich mag die Beiden sehr und es hat sich inzwischen eine schöne Freundschaft daraus entwickelt….

Und wir haben bereits beschlossen, das es bald das nächste Treffen geben wird……denn die Beiden kommen öfter im Jahr nach Norddeutschland und wenn ich im Herbst für ein Wochenende nach Hessen zurückkomme, soll ich mich vorher melden….

Manchmal kommt Freundschaft auf sehr leisen Pfoten daher….von einer Seite, die man so eigentlich nicht erwartet hätte. Wir reden interessanterweise auch nur noch selten über die Firma, dafür über das Leben und die Welt….ich telefoniere inzwischen öfter mit dem ehemaligen Kollegen, als mit meinen Mädels…..

….und ihm geht es mit der Firma genauso …es gibt eben doch nur wenig Kollegen aus denen sich eine Freundschaft entwickelt….wenn man dann doch nicht mehr zusammen arbeitet. Wir sind eben nicht mehr Teil des Alltags…Wir sind die Exoten ( Er: Rentner / Ich: hab freiwillig die Firma verlassen) und alle Anderen sind in ihrem Alltags-Trott geblieben….Die können mit unseren neuen Lebenswegen nichts anfangen…

Es gibt sie bestimmt, diese Freundschaften fürs Leben….uneigennützig und selbstlos…mir sind solche Freundschaften nicht in die Wiege gelegt und ich reagiere entsprechend empfindlich, wenn ich das Gefühl bekomme, wieder nur als Seelentröster und Helfer in der Not wichtig gewesen zu sein….

…das tut mir weh und dann ziehe ich mich wieder zurück…so bleiben für mich nur sehr wenige, aber überaus wichtige Freundschaften…die ich pflege und die mir den Glauben erhalten, das Freundschaften doch toll sein können….

6 Gedanken zu “Freundschaft – oder nicht

  1. Diese tiefe Verwurzelung fehlt mir auch. Ich war noch nie länger als 8 Jahre an einem Ort und ich gehe fest davon aus, dass ich nochmals auswandern werde…
    Inzwischen habe ich einige wenige gute Freundschaften, aber ich merke immer wieder, dass ich einfach nicht für regelmässige, wöchentliche / tägliche Kontakte geschaffen bin. Mir wird das schnell zu eng und verpflichtend.

    Zu mir kann man auch nach Jahren kommen und ist wieder willkommen. Aber so dieses ganz enge Gedankenaustauschen … das ist nix für mich. So nah in mein Inneres lass ich niemanden. Und ich will auch gar nicht so nah in das Innere von wem anderen, glaub ich.

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    1. ich bin da ambivalent..mal wünsche ich mir solche Freundschaften, dann bin ich wieder froh meine Ruhe zu haben..ich kann mich auch nicht täglich mit Freunden austauschen..das empfinde ich auch als anstrengend… da stimme ich Dir zu, da kommt man sehr schnell in so eine Verpflichtung hinein… längstens 8 Jahre an einem Ort🤔..wie lange wohnt Ihr aktuell in Deinem kleinen Dorf? und wie steht es um Deine aktuellen Auswanderungs-Pläne nach Norwegen? 🌷🍀

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      1. Das Dorf ist doch gar nicht klein, immerhin fast 2000 Einwohner 😎.
        Ich wohn hier seit 7.5 Jahren. Mein Partner wohnt in der Ecke der Schweiz von Beginn an (1998 ist er ausgewandert). Ich wohn schon im 3. Kanton, am 4. Wohnort (seit 1999) und habe vorher ca. 150km entfernt gewohnt.

        Die Auswanderungspläne sind noch nicht konkret. Ich spare für mein Häuschen und lerne norwegisch. Till spielt Lotto und guckt Häuser 🙄

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  2. Aus dem Auge aus dem Sinn – ich kenne das 😢 Mit wie vielen Leuten wollte ich nach Abschluss eines Lebensabschnits im Kontakt bleiben 🤔 Aber nach ein paar Treffen oder Telefonaten war es immer vorbei.
    In der aktuellen Corona-Zeit verabschieden sich die Leute nicht einmal mehr wenn sie in Rente gehen oder der Vertrag ausgelaufen ist. Heute gab es da eine rühmliche Ausnahme: Es gibt schließlich auch E-Mail 😎

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