Die Ruhe vor dem Kahlschlag und die Wärme nach dem Regen

Sie kommen näher – ich hab sie schon gesehen – also nicht die Baumfäller selber – aber das Ergebnis ihrer Arbeit – noch ca. 1.5 km und sie sind auch hier bei mir.

Seit dem 1. Dezember warte ich ja quasi täglich darauf, das die Bäume hinter dem Haus und damit vor meinem Balkon, gefällt werden. Die Privatbahn hatte es angekündigt…und papiergläubig wie ich nun einmal bin, war ich der Meinung die stehen am 01.12. im Garten mit ihren lauten Kettensägen und nach 2 Tagen ist der Spuk vorbei und ich habe freie Sicht auf Alles, was ich gar nicht sehen will. Aber so war es nicht.

Inzwischen muss ich über meine Naivität lachen. Die Privatbahn hat diese Zettel an Alle Anwohner entlang der Strecke verteilt…und die fangen natürlich an einem Ende an und arbeiten sich dann langsam entlang der Strecke voran. Ich habe auf freiem Feld gesehen wo Bäume und Büsche bereits fort sind und auch die tiefen Furchen drumherum, wo Trecker mit Anhänger oder LKW mit Ladefläche die Bäume aufgenommen und abtransportiert haben.

Und da es auf dieser Seite nahe am Rande der Stadt wo ich wohne, keine direkte Zuwegung zu den Bahngleisen gibt, um die Bäume abtransportieren zu können…werden die wahrscheinlich erst gefällt, wenn die Bahnstrecke ab dem 16.01.23 stillgelegt wird….dann können die Bäume über die Bahnschienen hinweg, auf der anderen Seite, zu der dort parallel verlaufenden kleinen Straße gebracht und abtransportiert werden.

Wenn man darüber nachdenkt, ist es eigentlich auch logisch. Richtig erschlossen hat es sich mir aber erst gestern, als ich im strömenden Regen ,noch vor Sonnenuntergang, meine große Walkingrunde lief und auf den Kahlschlag traf.

Im Moment bedeutet jede Walkingrunde einmal komplett durchnässt zu sein oder sagen wir mal lieber so: ich teste gerade die Wind- und Regentauglichkeit meiner Winter- und Regenjacken. Die Windstille zu Heiligabend, wo der Regen ausschließlich von oben kam, ist inzwischen zu einer Art November-Schmuddelwetter geworden…es gibt heftige Windböen und jede Menge Regen ich werde also von allen Seiten naß….was ich vor allem daran merke, das meine Jeans schwer und nass an mir zerren. Warum hab ich eigentlich nicht die Thermohosen angezogen? Ach jetzt weiß ich es wieder: ich fand es zu warm dafür. Na meine eiskalten nassen Beine waren da hinterher ganz anderer Meinung.

Aber was gibt es Schöneres als nach so einer Tour unter die heiße Dusche zu gehen und anschließend in Kuschelklamotten und mit einem heißen Glühpunsch auf der Couch zu sitzen und dazu die Reste von Ente, Rotkohl und Klößen zu verputzen. Als Nachtisch gab es noch selbstgemachtes Popcorn und einen kleinen Schoko-Weihnachtsmann, den ich geschenkt bekommen habe.

Und ich sitze da und mache mir Gedanken über all die Veränderungen die noch kommen werden….hinterm Haus ohne Bäume, meine Schwester mit Bypass-Operation voraus und anschließender REHA danach, meinem Schwager ohne Job und mit der laufenden Kündigungsschutzklage, meiner liebsten Kollegin deren Mann erneut einen sehr schweren Bandscheiben-Vorfall kurz vor Weihnachten hatte und mit der ich zukünftig nur noch wenig gemeinsam Zusammenarbeiten kann, meine eigene Arbeit die sich auch gerade gravierend verändern soll. Ich denke über ein paar Menschen aus meiner Vergangenheit nach und über deren Zukunft. Ich denke nach über die Welt die mehr und mehr aus den Fugen gerät und ich es nicht fassen kann, dass es Menschen gibt, die einfach nicht friedlich nebeneinander leben wollen…über die steigenden Preise, über die fragile Energie-Versorgung, über die Pandemie und deren Folgen…in meinem Kopf ist selten Ruhe…

…aber trotz all der schweren, beunruhigenden und mitfühlenden Gedanken, fühle ich mich damit gerade nicht überfordert, wie so oft in letzter Zeit, sondern ich merke, das ich mich dem Leben körperlich und mental wieder richtig stellen kann.

Bisher konnte ich mich immer auf meine eigene Leistungsfähigkeit verlassen, aber das Jahr 2022 hat mir ein paar Mal ganz ordentlich Grenzen aufgezeigt …und nun endlich, fühle ich mich wieder leistungsstark. Das ist eine gute Basis dem kommenden Ende dieses Jahres zu begegnen.

Wie schön öfter am Ende eines Beitrags bin ich überrascht darüber, was für eine gedankliche Schleife ich da gedreht habe…manchmal ist es mir gar nicht so bewusst, was mich eigentlich sonst noch so bewegt….aber dann fließen meine Gedanken locker in meine Fingen und finden ihren Weg auf den Bildschirm.

Jetzt ist es soweit…

…die AKN informiert über den Ausbau der Privatbahn, die hinter meinem Balkon entlangfährt.

Schon seit dem Frühjahr weiß ich, das es noch in 2022 losgehen wird…nur wann, war mir nicht klar. Baustart hinter dem Haus beginnt jetzt am 01.12.mit dem Fällen aller Bäume, die zwischen den Grundstücken der Wohnanlage und der vorhandenen Bahnstrecke stehen…denn die Strecke wird nicht nur von 1 auf 2 Spuren erweitert, sondern vor allem auch „elektrifiziert“ und dafür müssen Oberleitungsmasten gebaut werden…ohne Bäume, die im Weg stehen.

Mit anderen Worten, die gesamten Baum- und Buschreihen, die mich bisher von der tiefergelegenen Bahntrasse und den Häusern auf der gegenüberliegenden Seite, schützen, fallen weg…kein Lärmschutz mehr und vor allem auch kein Sichtschutz…die gemütliche Abgeschiedenheit meines Balkons (und auch die meiner Nachbarn natürlich) fällt weg.

Das hat mich am Freitag dann noch vor dem grippalen Infekt umgehauen.

Ja klar soll da stattdessen irgendwie ein halbhoher Erdwall hin kommen…allerdings kein Lärmschutzwall, wie auf anderen Teilabschnitten….und ob es jemals wieder so gemütlich wird, wie vorher, weiß ich nicht. Ab dem 16.01.23 wird die Strecke voll gesperrt und soll bis August 2023 gesperrt bleiben. Während der achtmonatigen Sperre, werden also die Bäume gefällt, die Bahn-Stationen verlängert und erhöht, die Gleise 2spurig ausgebaut, Brücken erweitert und die Oberleitungsmasten errichtet.

Laut AKN-Zettel: „Leider müssen Sie mit einer erhöhten, jedoch unvermeidlichen Lärmbelastung durch das Baugeschehen rechnen…“ Ja das ist klar – mich interessiert aber eher, wie hoch die Lärmbelästigung NACH dem Umbau sein wird…denn das wird ja dauerhaft bleiben….Aber auch die Nachbarn die sich den Umbau im Rathaus damals angeschaut haben, konnten mir nicht sagen, wie das mit dem Erdwall werden wird.

Klar ist aber, durch den 2spurigen Ausbau der AKN, die dann später als Verlängerung der Hamburger S-Bahnlinie S21 weitergeführt werden soll, kommt es durch eine kürzere Taktung der Züge, zu mehr Bahnverkehr in beiden Richtungen.

Na ja – ich kann es ja eh nicht ändern und muss abwarten, was geschieht.

Balkon-Oase …auf Zeit

Im weiteren Tagesverlauf des Sonntags hab ich dann das schöne Wetter genutzt, um meinem Balkon endlich eine Sommer-Bepflanzung zu verpassen…die Pflanzen hatte ich am Abend zuvor noch im Gartencenter gekauft…kurz vor Ladenschluß….hahaha eher war ich ja nicht aus Flensburg zurück.

Der Sonntag bot sich einfach an, weil es Pfingstmontag ja schon wieder regnen soll…und so hab ich die neuen und die vorhanden Pflanzen zusammen gruppiert und dabei jede Menge Dreck verursacht….2/3 des Balkons hab ich dann mühselig auf den Knien rutschend gefegt und gewienert…die kleinen Kerlchen in den Futterhäuschen machen ja auch einiges an Dreck und seit der Frühjahrsaktion hat sich auch jede Menge Blütenstaub angesammelt….Hatschi!!

Um das letzte Drittel kümmere ich mich noch in dieser Woche.

Zusammen mit dem inzwischen dichten Blätterwerk der Bäume dahinter, ist es ein wirklich gemütlicher Rückzugsort geworden, mein Freiluft-Zimmer, in dem ich mich gerne aufhalte.

Allerdings hat diese kleine Oase einen Haken, denn sie wird so nur noch eine gewisse Zeit möglich sein. Die einspurige Privatbahn, die hinter den Bäumen, etwas tiefer liegend, entlang läuft…wird bald 2 spurig ausgebaut.

Ich hab mich inzwischen mit mehreren Nachbarn unterhalten: Damit die Bahn die Gleise 2spurig ausbauen und mit einer elektrischen Oberleitung versehen kann, müssen alle Grundstücke auf diesem Teilstück 1 Meter abgeben (was jetzt nicht so das Problem bei uns ist) und gleichzeitig müssen die hohen Bäume für die elektrische Oberleitung weichen.

Auch den Nachbarn ist aktuell noch nicht klar, wie es danach aussehen wird…bei einem Firmengrundstück auf dem gleichen Ausbau-Teilstück, wird aktuell ein Erdwall aufgetürmt und meine Nachbarn meinen, das wird dann auch bei uns so werden und den Erdwall würde man dann wieder bepflanzen, allerdings nicht mehr mit so großen Bäumen.

Auf der anderen Seite wird dann die Privatbahn hier nicht mehr zuständig sein, sondern die Hamburger-S-Bahn und ich könnte dann ohne umzusteigen bis in die Hamburger Innenstadt fahren…Fertigstellung soll jedoch erst 2025 sein.

Ich weiß das jetzt schon seit ein paar Wochen, musste mich aber erst an den Gedanken gewöhnen…denn eines der Argumente diese Wohnung hier zu mieten, waren die hohen Bäume drumherum.

Aber Manche sind ja inzwischen schon durch die letzten Stürme umgeweht worden….ich fange also an, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Die Privatbahn oder auch S-Bahn stören mich nicht…ich möchte einfach nur weiterhin mit Bäumen oder Büschen einen Sichtschutz, Lärmschutz und auch Hitzeschutz haben….mal sehen, was dann tatsächlich kommen wird.

Jetzt geniesse ich erst einmal was ich habe….alles andere kommt von ganz allein.

Ich will mich auch gar nicht beschweren….alle wollen den Fortschritt, aber keiner möchte etwas davon vor seiner Haustür haben und da möchte ich mich nicht mit einreihen. Wer Strom will braucht Oberleitungen, oder Leitungen im Boden, braucht Windkraft, Solar, Umspannwerke oder was auch immer ….ja klar, das sind Einschnitte in unsere Umgebung…aber ohne geht es nun auch nicht….und wer flächendeckende Netzabdeckung haben will, muss eben auch Sendemasten zulassen. Das eine geht nicht, ohne das Andere. Ich mag diese Mecker-Mentalität nicht: nicht vor meiner Haustür – es ist immer vor irgendjemandes „Haustür“.