Das zehrt an den Nerven

Diese Woche ist mein Nervenkostüm sehr angegriffen. Das Krankenhaus hatte auf einmal den OP-Termin für meine Schwester vorverlegt…aber so schnell ging es dann doch nicht.

Anstatt Donnerstag, sollte sie schon Dienstag kommen…aber das ging dann nicht, denn für die Voruntersuchungen musste sie die Tabletten bereits einen Tag vorher absetzen…also ging es am Mittwoch nach Kiel ins Krankenhaus. Den ganzen Tag gab es Voruntersuchungen und Checks und vor allem jede Menge Aufklärungsgespräche, was bei so einer Bypass-OP alles passieren kann.

Mein Schwager war geschockt, weil ihm erst jetzt richtig klar wurde, das er am nächsten Tag seine Frau für immer verlieren könnte…ich war nicht dabei, aber wir haben später telefoniert und da war er immer noch sehr mitgenommen. Nach einem kurzen Telefonat mit meiner Schwester hab ich mich mit ihrer selbstgewählten „Henkersmahlzeit“: SUSHI, nach Feierabend auf den Weg ins Krankenhaus gemacht.

Unten in der Halle haben wir das Sushi gegessen und sind dann noch zusammen draußen spazieren gegangen…wir haben geredet und Beides zusammen tat ihr einfach gut…und mir auch…ich wurde ruhiger und das Krankenhaus macht einen sehr guten Eindruck: alles ruhig und gelassen, keine Hektik, keine Unruhe und alle sind bisher sehr freundlich.

Mir ist schon seit ein paar Monaten aufgefallen das meine große Schwester immer kleiner wird…sie war schon immer ein paar Zentimeter kleiner als ich…aber so langsam schrumpft sie (mit knappen 57 Jahren) immer weiter und ist mittlerweile fast einen Kopf kleiner..also ob das noch 1,60m sind? Sie wirkt dadurch sehr zierlich und zerbrechlich und doch ist sie körperlich stark und vor allem sehr Willensstark….DAS liegt in unserer Familie: unglaubliche Willensstärke – naja man kann es auch Sturheit nennen – da sind wir Beide ganz groß drin.

Auf der Rückfahrt war ich also beruhigt – und dann begann das Warten…und wie wir gewartet haben…Donnerstagmittag in etwa sollte die OP stattfinden. Das Handy und alle anderen Sachen waren bereits im Krankenhaus weggeschlossen worden, so gab es also keinen direkten Kontakt und wir (Schwager in Flensburg, ich in Quickborn) hörten nichts. GAR nichts.

Es wurde Nachmittag und später Nachmittag und wir hörten nichts. Die OP hätte so ca. 13 Uhr anfangen und zwischen 3-5 Stunden dauern sollen…mein Schwager wollte erst um 19 Uhr anrufen…das hab ich nicht ausgehalten und hab bereits um 17 Uhr angerufen. So haben wir immerhin erfahren, das die OP erst um 16.30 Uhr angefangen hat….also vor 22 Uhr brauchen wir gar nicht anzurufen und besuchen durfte ich sie ohnehin erst am nächsten Tag.

JA das wusste ich inzwischen schon…die haben ganz klar geregelte Besuchszeiten ab 15 Uhr Nachmittags…ich war nämlich bereits mittags ins Krankenhaus gefahren und als ich nachfragte wo ich den warten könne, haben die mich sehr freundlich aber auch sehr bestimmt wieder weg geschickt…das würde doch noch Stunden dauern, ich würde ihr damit nicht helfen wenn ich hier bliebe und nach der OP würde sie erst noch eine Weile im „Koma“ sein, bevor sie sie langsam aufwachen lassen usw….also bin ich wieder nach Hause gefahren und habe gewartet….hmmm etwas unrühmlich diese Aktion…ich hätte mich vorher informieren sollen, dann hätte ich mir die insgesamt 160km (hin und zurück) sparen können.

Okay – also wieder hab ich es nicht ausgehalten bis 22 Uhr zu warten, sondern hab schon um 21.30 Uhr angerufen…das war sie minutenvorher gerade auf der Intensivstation angekommen. Die OP wäre gut verlaufen und jetzt würde es noch ca. 2-3 Stunden dauern bis sie wach wird.

Nach dem Telefonat hab ich unmittelbar meinen Schwager angerufen: Sie lebt – alles wird gut. Wir waren beide sehr Erleichtert.

JETZT erst löste sich meine Anspannung. Mein ganzer Körper zitterte und bebte, ich schluchzte und heulte – alles vor Erleichterung….ich konnte mich lange Zeit gar nicht beruhigen, ich musste mich bewegen, zog meine Wanderschuhe an und hab noch meine 5km Walkingstrecke gelaufen: sie lebt – alles wird gut.

Erst am nächsten Tag haben wir dann erfahren, das sie keinen 3fach-Bypass bekommen hat, sondern gleichen einen 4fachen…na gut – auf einen mehr, kommt es jetzt auch nicht mehr an…Hauptsache sie kann damit gut weiter leben und uns auch noch die nächsten 30 Jahre im Besten Sinne: auf die Nerven fallen

Das Leben und die Risiken

Montag im Homeoffice wartete ich also auf Nachricht, wie meine Schwester die Herzkatheter-Untersuchung überstanden hat, ob die tatsächlich Stents gesetzt haben oder was dabei herausgekommen ist.

Aber es kam keine Nachricht. Dabei hatte sie am frühen Morgen den Termin…ich wurde unruhig…Erst nach dem Mittag kam von meinem Schwager die Nachricht: Ihr geht es gut – aber es wurden keine Stents gesetzt…sie kann gleich nach Hause – alles andere später.

Nun – ich kann nicht behaupten, dass mich diese Aussage beruhigt hat…und bereits 2 Stunden später sollte sich das auch bestätigen…denn es kommt noch schlimmer.

Wir hatten bereits vor Tagen ausgemacht, ich komme auf jeden Fall an diesem Tag nach Flensburg, egal ob sie Zuhause oder im Krankenhaus ist….und so hab ich später nur kurz mit ihr telefoniert und mich bereits am frühen Nachmittag ins Auto gesetzt und mit knappen 1,5 Stunden war ich dann auch Vorort.

Auf den Bildern vom Herzen, kann man eindeutig erkennen, bei ihr ist eine der Herzvenen komplett verkümmert und an den beiden Anderen gibt es Engstellen…wahrscheinlich alles schon seit ihrer Geburt….da können Stents nicht mehr helfen. Es geht wohl nur über eine 3fach Bypass-Operation. Die Wahrscheinlichkeit das es am offenen Herzen und nicht minimal-invasiv gemacht wird, ist relativ hoch – aber noch ist es nicht ganz entschieden….jetzt wartet sie auf einen freien Termin im Krankenhaus.

Einer der Ärzte meinte dann auch zu ihr, sie kann froh sein, eine so gute körperliche Fitness zu haben und einen so guten Lebensstil zu führen, ansonsten wäre sie wohl schon längst tot. Na das ist ja eine tolle Aussage.

Wir waren alle Drei geschockt und jetzt mit ein paar Tagen, die bereits ins Land gegangen sind, gewöhnen wir uns an den Gedanken. Ja klar, auch das ist inzwischen eine Routine-Operation, aber trotzdem ist es eine Operation, die gefährlich werden kann. Ca. 1% stirbt bei der OP (das heißt aber auch 99% überleben), und ca. 5% bekommen während der OP einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Auch wenn die Chancen also sehr gut aussehen, dass sie anschließend die nächsten 20 Jahre gut und fast ohne Einschränkungen damit leben kann, muss man sich bewusst sein, das es auch anders kommen könnte.

Jetzt heißt es also abwarten und Ruhe bewahren, bis die Klinik sich meldet wann es einen OP-Termin gibt.

Wir hatten uns am Abend Essen kommen lassen und gemütlich im Wohnzimmer zusammen gesessen und einfach nur geredet…das tat uns Dreien gut….meine Schwester versucht sich ihrer Angst zu stellen, indem sie wieder und wieder darüber redet, meinem Schwager tut es gut, sich überhaupt einmal darüber zu unterhalten, auch über seine Kündigung und auch mir tat das Reden gut.