Dreiste Arbeitgeber

Es gibt ja wirklich unverschämte Arbeitgeber…schon seit Monaten drückt sich der Leiter eines mobilen Pflegedienstes, eines großen öffentlichen Trägers, und damit der Arbeitgeber meiner Schwester, davor, seinen Pflegekräften das in den Arbeitsvertrag zu schreiben, was seit dem 01.09.2022 für alle Pflegeinrichtungen der Altenpflege verpflichtend ist.

Schon Ende Juli wurden alle Mitarbeiter in einer Mitarbeiter-Versammlung über die Anhebung der Gehälter ab September informiert, und jeder hat auch erfahren wie er eingestuft und was damit sein Grundgehalt sein wird.

Das war super und soweit es mir meine Schwester erzählt hat, waren alle begeistert über die doch sehr großen Gehaltsanpassungen…scheinbar gar es vorher kein geregeltes System….und nun endlich soll, über die Anbindung an einen bestimmtenTarif, alles klar und nachvollziehbar werden und ihre Arbeit wird endlich auch mal finanziell anerkannt. Soweit – so klasse.

Tatsächlich jedoch enthielten die neuen Arbeitsverträge sehr viele Fehler: Vereinbarte Urlaubstage wurden reduziert, bzw. falsch berechnet, es fehlt der Bezug zum Tarifvertrag mit entsprechender Eingruppierung, der Tarifvertrag wurde auch keinem zugänglich gemacht und der Höhepunkt: alle pflegenden Mitarbeiter erhielten wesentlich niedrigere Grundgehälter, als ihnen vom Arbeitgeber mündlich zugesagt wurden. Das ist unerhört.

Inzwischen hat meine Schwester ein Gespräch mit dem Arbeitgeber gehabt und die Kernaussage war: die Urlaubstage werden korrigiert, das Gehalt bleibt so, wie es im neuen Vertrag steht: Wenn er allen das zahlen würde, was im Tarifvertrag steht, dann müsse er den Pflegedienst schließen! Wir reden hier von mehreren Hundert Euro pro Monat die ihr durch diesen neuen Vertrag vorenthalten werden. Zumal sie ja auch immer wieder Sondereinsätze macht für kranke Kollegen und auch noch bei Bedarf als stellvertretende Pflegedienstleitung agiert, damit der Betrieb überhaupt weiterarbeiten darf (denen laufen ja immer wieder die Führungskräfte weg).

Sie war jetzt diese Woche bei einem Anwalt für Arbeitsrecht, der auch sehr verwundert über diesen Arbeitsvertrag war und auch überhaupt nicht nachvollziehen konnte, wie der AG auf das neue Gehalt kommt. Auch konnte er im Internet keinen Tarifvertrag finden, der diese Zahl beinhaltete….aber er hat einen echt tollen Brief an den Arbeitgeber geschrieben…ruhig und sachlich bittet er um Klärung wie dieser Betrag zustande kommt, freundlich und nett formuliert, zugewendet wohlwollend, denn immerhin möchte meine Schwester, trotz allem, immer noch weiter dort arbeiten. Ich bin fast begeistert, wie toll das formuliert war.

Ich hab mich dann fast einen ganzen Tag lang (also 2 Abende) auf die Suche im Internet gemacht…es existieren für diesen Träger unglaublich viele Tarifverträge für Pflegekräfte, aber jeder war leicht anders..bis ich dann endlich einen fand, der tatsächlich genau die Zahl enthielt und wo auch die Entgeltgruppe passte…nur das die Entgeltstufe tatsächlich 2 Stufen unter dem war, was ihr eigentlich zustehen würde.

Ich hab ihr alles gleich geschickt, wir haben viel geschrieben und gesprochen…das ist ein Thema, das auch an mir nicht spurlos vorbei geht, denn meine Schwester ist wütend und aufgebracht, sie will ja nichts geschenkt, sondern einfach nur das, was ihr zu steht….was eine Steigerung von ca. 30% bedeuten würde…immerhin arbeitet sie schon mehr als 20 Jahre für den gleichen Pflegedienst und ist damit Eine von Zweien die überhaupt so lange dort arbeiten. Gehaltsanpassungen gab es in den letzten Jahren nur selten.

Auch wenn 30% viel klingt, muss man jedoch sagen, selbst mit dem neuen tariflichen Grundgehalt, wenn sie es denn bekommen würde, wäre sie immer noch weit unter dem, was man so in meinem Bereich verdienen kann. Und das bei einer 6-Tage-Woche mit Schichtdienst und unzähligen Rufbereitschaften.

Seit 1. September 2022 ist die Entlohnung von Pflegekräften in der Altenpflege mindestens in Tarifhöhe gesetzlich vorgeschrieben. Eine Pflegeeinrichtung muss, um als solche zugelassen zu sein, entweder selbst tarifgebunden sein oder ihre Pflege- und Betreuungskräfte mindestens in Höhe von in der Region anwendbaren Pflege-Tarifverträgen entlohnen. Im Gegenzug sind die Pflegekassen verpflichtet, die steigenden Lohnaufwendungen bei den Verhandlungen der Vergütung der Pflegeleistungen zu berücksichtigen und damit die Refinanzierung der Tarifbindung oder -orientierung zu gewährleisten.

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/verbesserungen-im-pflegeberuf-1745564

Ich hoffe das sich noch alles zum Guten wendet…

8 Gedanken zu “Dreiste Arbeitgeber

  1. Seit Jahrzehnten ist der Pflegeberuf im Verhältnis zu den Leistungen, die Krankenschwestern und Co leisten müssen, der schlecht bezahlteste überhaupt. Durch die Pandemie wurde endlich allen bewusst, wie unglaublich wichtig seriöses Pflegepersonal ist, um nicht zu sagen „lebenswichtig“.
    Wenigstens einen Sinn hat Corona gehabt, denke ich mir grad.

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