Was für ein Wunderwerk der Natur der Mensch ist, merkt man erst, wenn etwas am Körper nicht mehr reibungslos funktioniert. Was Ärzte heute am Körper reparieren können ist schier unglaublich. Aber der Mensch besteht ja nicht nur aus Körper und so muss die Psyche auch einiges aushalten, wenn am Körper herumgeschnippelt wird.
Ich hatte bereits gelesen, das viele Patienten nach einer Operation am offenen Herzen, psychische Probleme bekommen können und auch Angststörungen nicht selten sind.
Angst an sich ist nichts Schlechtes, sie macht wachsam und vorsichtig und wird erst dann zum Problem, wenn die Angst vor etwas größer wird, als der Situation angemessen, in Panik mündet oder sich verstetigt.
Überrascht war ich trotzdem wie extrem schnell und intensiv sich bei meiner Schwester Panik und Angst breitmachte. Ich hatte seit der OP mein Handy immer in Reichweite, um jederzeit auf eine panische Nachricht oder einen Anruf reagieren zu können. Ganz alltägliche Situationen führten zu panischen Weinkrämpfen. Meine robuste und resolute Schwester war auf einmal ein Häufchen Elend.
Gut, dass ich die meiste Zeit im Homeoffice war, so konnte ich fast immer sofort reagieren und hab sie durch Zuhören, ruhiges Reden und positives Einordnen von Sachverhalten, die sie in ihrer Angst negativ ausgelegt hat, aus den Panischen Situationen heraushelfen können. Inzwischen hat sie auch mit der Psychologin in der Reha sprechen können..und seit 2 Tagen nun, sind die großen panischen Attacken vorüber…und als ich sie gestern besucht habe, sind wir ohne ihren Rollator spazieren gegangen und haben uns in die Cafeteria zu Kaffee und Kuchen niedergelassen. Beides war etwas, was ihr vor ein paar Tagen noch unmöglich erschien.
Wir hatten überhaupt einen tollen Nachmittag zusammen. Sie hat sogar schon wieder etwas zugenommen, die Augen sind wach und klar und sie plappert schon wieder munter drauf los…es geht also aufwärts, trotz der Schmerzen und Einschränkungen, die sie natürlich immer noch hat…aber die Wundnähte heilen langsam und sehen gut aus…und die REHA-Maßnahmen bringen erste Fortschritte, wie sich sie bewegen darf und zeigen, was sie schon alles wieder alleine machen kann, wenn sie bestimmte Dinge berücksichtigt.
Vor allem ist es wichtig, die Angst vor anderen Menschen und Bewegungen um sie herum, wieder zu verlieren….aber jetzt bin ich zuversichtlich.
Ich hatte vor mehr als 20 Jahren einen Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich und danach ca. noch 2 Jahre Angst, das mir irgendjemand beim Einkaufen oder Bummeln seinen Arm in den Rücken drückt oder mich schubst. Psychologische Betreuung gab es damals nicht…so hat es etwas länger gedauert, bis ich mich von dieser Angst befreien konnte. Na gut also klaustrophobisch war ich vorher schon und bin es ja immer noch…das ist leider nie weggegangen.
Aber ich habe Techniken entwickelt, die mir helfen, mich in Menschenmengen zu bewegen, (meistens) ohne in Panik zu verfallen…ich hab ihr gestern gezeigt und auch erklärt, was bei mir inzwischen automatisch abläuft, wenn mir Menschen zu nahe kommen, vor allem wenn sie mir zu eng entgegen kommen und ich nicht ausweichen kann oder beim Schlangestehen drohen zu dicht aufzurücken…das kann ihr für die Übergangszeit auch helfen, mit der Angst umzugehen. Ich kann inzwischen ganz gut damit leben.,